
Überlegungen im Vorfeld zur Diskussion mit zwei Fallstudien im Anschluss
Von Transversalität zu sprechen gehört zum guten Ton. Es ist ein präziser und zugleich vager Begriff, der auf ein kulturelles Universum verweist, in dem sich die Unterschiede zwischen künstlerischen Disziplinen auflösen. Eine schöne Sache.
Und was ist mit dem Film? Ein Relikt aus der Vergangenheit, geopfert auf dem Altar der «Innovation» – ein Begriff aus der Marktwirtschaft, in die Welt der Kunst geworfen, die mittlerweile selbst zu einem Markt geworden ist. Und all das mit dem Segen der Kulturschaffenden, die nur allzu froh sind, sich von diesem romantischen Traum zu verabschieden, der «unserer Vorstellung eine Welt unterschiebt, die mit unseren Wünschen übereinstimmt», um André Bazin zu zitieren. Denn die Transversalität ist nichts anderes als das Versprechen des Aufgehens des Films in diesem grossen Gemenge, das man audiovisuelle Medien nennt und das uns mit Hilfe von Algorithmen, die unsere Wünsche berechnen, eine Vorstellung der Welt aufdrängt. Ein trauriges Ende, im doppelten Sinne.
War nicht umgekehrt der Film von Anfang an eine «transversale» Kunst? Erinnern wir uns an seine Geburt zu Beginn eines Jahrhunderts der Vergnügungen und der Kriege. Inmitten von Kabarettvorstellungen und Jahrmarktsattraktionen tauchte er auf und kannibalisierte schliesslich alle Formen des künstlerischen Schaffens, die er auf seinem Weg kreuzte: Musik, Theater, Malerei, Fotografie, Literatur.
Nichts Neues unter der Sonne, aber doch der Wunsch, Bilanz zu ziehen. Wie steht der Film im Dialog mit den anderen Künsten? Der Begriff der Transversalität verspricht eine Welt, in der die Formen des künstlerischen Schaffens nahtlos ineinander übergehen, als gäbe es keine Rivalität zwischen ihnen. Doch wie steht es zum Beispiel um den alten Zank zwischen Film und Literatur?
Erinnern wir uns: Der Film sei ein Zeitvertreib für Analphabeten. Georges Duhamel. Es gäbe einen Film der Prosa und einen der Poesie. Pasolini. Der Film wäre demnach eine literarische Kunst. q.e.d. Zwischen Film und Literatur «befindet man sich zwischen zwei Zügen, die sich ohne Halt kreuzen». Godard.
Im «Atelier de la pensée» werden wir uns auf zwei Momente konzentrieren, in denen sich diese Züge kreuzen. Schriftsteller:innen und Filmemacher:innen sind die Reisenden. Für einen Augenblick schauen sie sich durch das Fenster an. Feindselig? Freundschaftlich? Was haben sie sich zu sagen?
Zunächst erzählen Arne Kohlweyer und Georg Ismann, wie sie Peter Stamm filmten, während er dabei war, einen Roman zu schreiben. Der Schriftsteller ist schlau und stellt ihr Projekt in den Schatten: In seinem Buch geht es um einen Autor, der ein Filmteam empfängt. Kopiert der Roman die Realität des Films? Was fängt der Film vom kreativen Prozess ein? Und wer spielt mit wem?
Danach wird Nicolas Steiner über ein lange dauerndes Projekt zu einer Literaturverfilmung berichten. Wie schreibt man auf der Grundlage eines Romans für den Film? Bleibt eine Geschichte, die in einem Buch erzählt wird, dieselbe, wenn sie in einen Film übertragen wird? Ist das Drehbuch ein eigenständiges literarisches Genre? Auch das Publikum ist eingeladen, sich zu Wort zu melden.