In vielen Geschichten gibt es einen Helden oder eine Heldin. Meist tragen diese Figuren Capes oder haben Superkräfte. Doch die Heldin des Films, der uns dieses Jahr am meisten überzeugt hat, trägt weder ein besonders spektakuläres Outfit noch kann sie fliegen. Denn die Heldin dieses Werks ist eine etwas unbeholfene junge Frau, die bloss das Richtige tun will und damit zunächst ihre ganze Community gegen sich aufbringt.
Der Film, um den es geht, behandelt gleich mehrere wichtige Themen: Es geht um die Suche nach Wahrheit, um reproduktive Rechte, um die Ausbeutung der Natur und die Frage, warum wir immer noch kurzfristige Gewinne über alles – selbst die Zerstörung unserer Lebensgrundlage – stellen.
Das Werk zeichnet sich dadurch aus, dass es eine vollendete Welt erschafft, in die wir als Zuschauende für knapp hundert Minuten eintauchen können. Die Geschichte spielt in einem engen Tal und jede Figur, jedes Gebäude und jedes Detail trägt dazu bei, dass dieses fiktive Universum lebendig wird. Vom Casting über die Farben bis hin zu den Drehorten – all das wirkt in diesem Film sorgfältig und durchdacht.
Zudem schafft der Film etwas beine Unmögliches: Er packt die wahrscheinlich grösste Krise unserer Gegenwart in eine verdaubare Geschichte, die man hören und sehen will. Das Drehbuch ist zwar schräg, aber nicht schräger als die Zeit, in der wir leben.
In der Jury haben wir uns natürlich überlegt, wie man das Einzigartige an diesem Werk am besten in Worte fassen könnte, und sind zum Schluss gekommen, dass dieser Film – mit seinen saftigen Farben und haptischen Oberflächen – eine Art absurdes Märchen über die Klimakrise erzählt. Und dieses Märchen regt einerseits dazu an, darüber nachzudenken, was der drohende ökologische Kollaps mit unseren sozialen Beziehungen – in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, in der politischen Gemeinde – macht; und anderseits ermutigt die Geschichte, sich mit dem Verhältnis zwischen Mensch und Natur zu beschäftigen.
In diesem Sinne freut es uns sehr, folgende Mitteilung zu machen: Der Prix de Soleure 2023 geht an die Regisseurin Sophie Jarvis und die Produktionsfirma Cinédokke für den Film «Until Branches Bend.»
Congratulations.