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Laudatio Prix d'honneur

Datum

20. Januar 2022

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Gewinner Prix d'honneur

In dieser Laudatio möchte ich von drei Momenten, drei persönlichen Erlebnissen reden, die mich als Berner Filmschaffender mit dieser zentralen Institution des Berner Filmlebens verbinden.

Der erste dieser Momente ist der 2. Juni 2007.

Das Lichtspiel war damals schon sieben Jahre alt, für mich selber war es ein Anfang – Die Weltpremiere meines ersten „richtigen“ Films. Der Film hiess «Frau Mercedes - Alt werden auf dem Autostrich». Es war das Porträt einer damals 60-jährigen Prostituierten, die ihr Berufsleben lang als Sexarbeiterin gearbeitet hatte.

Diese Premiere fand noch an der alten Heimat des Lichtspiels statt, in der ehemaligen Chocolat Tobler-Fabrik am Güterbahnhof. Dort, wo der Nachlass des Berner Kinotechnikers Walter Ritschard lagerte. Eine private Sammlung, welche David Landolf gemeinsam mit einer Handvoll weiterer Personen – unter ihnen Judith Hofstetter – übernommen und in den Verein Lichtspiel überführt hatte.

Der Ort war unglaublich imposant, schon damals wurde jeder Kubikmeter als Archiv- und Schauraum für filmtechnische Geräte aus allen Epochen genutzt.

An diesem Abend platzte das Lichtspiel aus allen Nähten. Es war der Welthurentag und neben Freunden und Bekannten hatte sich ein Grossteil des Berner Rotlichtmilieus hier versammelt. Leute sassen auf alten Schneidetischen und Projektoren, ein unglaubliches Bild.

Ich werde den Moment nie vergessen, als die Hauptprotagonistin Silvia nach dem Film unter tosendem Applaus nach vorne kam. Sie, die ihren Beruf als Sexarbeiterin ein Leben lang öffentlich verschwiegen hatte – dieser Abend veränderte ihr Selbstwertgefühl für immer.

Auch heute, an seiner neuen Heimat im Ryff-Areal unten an der Aare, versprüht das Lichtspiel diesen Charme, der die unterschiedlichsten Menschen zusammenzubringen und zu begeistern vermag.

Der zweite Moment, von dem ich erzählen möchte, ist der 9. September 2012.

Das Lichtspiel hatte die breite Öffentlichkeit dazu eingeladen, beim Umzug der Kino-Projektorensammlung mitzuhelfen. So traf sich eine bunt durchmischte, generationenübergreifende Truppe Menschen eines morgens vor dem alten Lichtspiel. Die Projektoren warteten bereits inklusive rollbaren Unterlagen auf uns. Wir wurden angewiesen, uns in Zweiergruppen aufzuteilen und je einen Projektor zu schnappen, für den wir dann bis zu seiner Ankunft im neuen Zuhause verantwortlich sein würden. Ich beschloss natürlich, mich dem grössten Projektor anzunehmen… Es war ein Prevost Cinescope 40.

Zuerst verlief alles gut, eine sehr lange Karawane zog los, um diese ca. 2.5 Km zurückzulegen. Quasi am Ende des Weges kam man zum grossen Lift an der Monbijoubrücke. Nur noch runterfahren und schon stand man mehr oder weniger vor dem neuen Lichtspiel. Aber eben: Unser Projektor passte – als einziger – nicht in den Lift. Was tun?

Wir beschlossen, das Parkhaus runterzufahren. Stellt euch das Bild vor: Die wendeltreppenförmigen Rampen im Inneren des Parkhauses, und wir mit dem Prevost Cinescope 40, den wir nur mit grösster Mühe bremsen konnten, mussten diese rund fünf Stockwerke runterfahren. Noch heute freue ich mich jedes Mal, wenn ich den Projektor, der dieses Abenteuer unversehrt überstand, im grossen Kinosaal wieder sehe.

Der dritte Moment ist der 2. Mai 2016.

An diesem Tag fanden Dreharbeiten zu unserem Film «Spira Mirabilis» im Lichtspiel statt. Das Italienische Regie-Paar Martina Parenti und Massimo D’Anolfi war bereits davor im Lichtspiel gewesen, um Archivmaterial zu sichten, welches wir dann auch im Film verwendeten – das gut indexierte Archiv des Lichtspiels ist reich an Trouvaillen. Visioniert wurde dabei noch wie früher, auf einer 16mm-Visioneuse. Martina und Massimo hatten sich sofort in diesen Ort verliebt und beschlossen, eine Schlüsselszene ihres Films dort zu drehen – mit der berühmten französischen Schauspielerin Marina Vlady.

Und wie der Zufall es wollte, war an diesem Tag auch Freddy Buache, der langjährige Leiter der Cinémathèque suisse und ebenfalls Träger dieses Prix d’honneur, dort zu Besuch. So trafen ausgerechnet im Lichtspiel in Bern der 92-jährige Buache und die 78-jährige Vlady aufeinander. Auch dies ein Bild, welches ich nie vergessen werde.

Die Kinemathek Lichtspiel: Für mich ein Ort, wo alles möglich scheint, ein Ort der Verzauberung. Es ist aber auch ein Ort, wo fleissig gearbeitet wird – wenn ich den langen Gang entlanggehe, der den Kinosaal mit dem Studio verbindet, und in die Arbeitsräume schaue, sehe ich immer Menschen, die hochkonzentriert am arbeiten sind – und das ganz ohne, dass ein Chef oder eine Chefin ihnen dabei über die Schulter schauen müsste. Es sind Menschen unterschiedlichster Couleur: Vom pensionierten Filmbegeisterten bis zum jungen Zivildienstleistenden. Was all diese Menschen verbindet ist die Leidenschaft zum Kino in all seinen Ausprägungen.

Wohl deshalb ist es dem Lichtspiel auch ein solches Anliegen, ihre Sammlung lebendig, zugänglich und sichtbar zu machen – sei es im Schaulager oder im Rahmen der sonntäglichen Filmvorstellungen, wo jeweils filmische Leckerbisse aus ihrem Archiv präsentiert werden. Es handelt sich dabei zu einem grossen Teil um kurze Filme aus privaten Sammlungen, die in anderen Archiven und Kinos keinen Platz mehr finden.

Ich finde es äusserst wichtig, diese Schätze zu bewahren: Wer weiss, was in 50 Jahren von Interesse sein wird. 8mm-Amateuraufnahmen aus den 50ern erscheinen mir schon heute oft aufschlussreicher zu sein als die damaligen Grossproduktionen, um diese Zeit zu verstehen.

Auf der Webseite der Solothurner Filmtage steht:

Der Prix d’honneur der 57. Solothurner Filmtage geht an die Berner Kinemathek Lichtspiel, eine Institution, wie es sie wohl nirgendwo sonst gibt. Sie ist ein professionelles Filmarchiv, ein lebendiges Museum, ein Kompetenzzentrum für Filmwissenschaft, Film- und Kinotechnik und ein Kino mit vielschichtigem Programm, vor Ort und online. Und das ist längst nicht alles.

Ich hoffe, dies mit meiner Laudatio klar gemacht zu haben.

Vielen Dank fürs Zuhören.

David Fonjallaz, Januar 2022

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