Portrait | Autorentexte

Hommage an Friedrich Kappeler

Autor:in

Christof Stillhard

Datum

15. Dezember 2022

Share
Friedrich Kappeler am 12.12.1987 (© Simone Kappeler)

Filmender Menschenfreund

Nachruf auf den Frauenfelder Filmemacher Friedrich Kappeler (7.6.1949 – 3.10.2022)

Ich habe Friedrich Kappeler 1982 wie in einem Film kennengelernt: nicht in Frauenfeld, sondern in Griechenland, wo er mit seinem Bruder Hans unterwegs war und ich Oliven erntete. Von da an liefen wir uns auch zu Hause über den Weg, in der Beiz, bei gemeinsamen Freunden und fast wöchentlich im Kino. Deshalb weiss ich, dass es Fritz peinlich wäre, wenn ich nun von seinen vielen Erfolgen und Auszeichnungen schreiben würde. Lieber erinnern wir uns an einige seiner Filme! Das würde ihn freuen.

In den Kurzporträts «Emil Eberli» und «Müde kehrt ein Wanderer», beide Anfang der 70er Jahre entstanden, nähert sich Fritz zwei Aussenseitern seiner unmittelbaren Umgebung: der erste ein stadtbekanntes Original, der mit seinem Handkarren Essensreste für die Säue sammelt, der zweite ein Nachbar, der nach schweren Schicksalsschlägen seine Wohnung räumen muss und ins Altersheim gesteckt wird. In beiden Frühwerken zeigt sich, was auch Fritz’ spätere Filme ausmachen wird: eine tiefe Empathie für die Protagonisten, eine Gelassenheit der eigenen Rolle als Filmemacher gegenüber, ein leiser lakonischer Schalk und eine klassische Filmsprache, die auf Mätzchen verzichtet. Die Porträtierten gehen einem ans Herz und sie bleiben dort, unvergesslich.

1980 kann Fritz seinen einzigen Spielfilm realisieren: «Stolz oder Die Rückkehr», gedreht in Diessenhofen und Frauenfeld. Der Film erzählt von einem Fotografen, der aus Deutschland nach Hause kommt, auf Familie und Bekannte trifft und letztlich, fremd geworden in der Heimat, wieder abreist. In herbstlichen Farbtönen und einer melancholischen Grundstimmung gehalten, widerspiegelt der Film Fritz’ eigene Orientierungslosigkeit nach seinem Filmstudium in München. In der Schlussszene meint ein Bahnbeamter: «Die Ehrgeizigen zieht es weg.» Fritz zieht es – nach einem kurzen, wichtigen Abstecher nach Aathal – nicht mehr weg aus Frauenfeld und seine Zweifel betreffend Bleiben und Fortgehen werden ihn ein Leben lang begleiten. Wie seine Dokumentarfilme handelt auch «Stolz» von einem Mann. Fritz konnte nicht aus seiner Haut und erzählte, was seinem Erfahrungshorizont entsprach. Bezeichnend aber ist, dass die weiblichen Nebenfiguren im Film die eigentlich starken Persönlichkeiten sind.

«Der schöne Augenblick» (1986) ist ein Porträt dreier Fotografen am Ende ihres Lebens und am Ende des analogen Zeitalters. Der Film berührt durch das spürbare Verständnis zwischen dem Filmemacher und den Dargestellten – auch Fritz und sein Kameramann Pio Corradi sind gelernte Fotografen. Die Beiden schaffen in makelloser Bildsprache unglaublich poetische Momente voller Wärme und Witz. Von nun an wird Pio Corradi bei jedem Kappeler-Film die Kamera führen.

Einen schöneren «Thurgau-Film» als «Adolf Dietrich, Kunstmaler» (1991) gibt es nicht! Das Porträt des kauzigen Einzelgängers, der sein ganzes Leben in Berlingen verbrachte, geht so sehr ans Herz, weil die Zeitzeugen frisch und unverkrampft vom grossen Maler erzählen. «Menschen muss man gern haben, wenn man Filme drehen will», hat Fritz in einem Interview gesagt.

Nach «Das Wolkenschattenboot» (2007) über den Schriftsteller Gerhard Meier, dessen kleinräumige  Geschichten nur auf den ersten Blick provinziell sind, scheiterten mehrere Projekte bereits in der Entwicklungsphase. Die im besten Sinne altmodischen Filme des unauffälligen Künstlers Friedrich Kappeler hatten in der aufgeregten Filmförderwelt keine Chancen mehr auf eine Finanzierung.

Ende 2023 werden seine Filme digitalisiert sein. Dann werden wir diese wunderbaren Kleinode wieder im Kino geniessen können. Und wir werden uns an den Künstlern und kauzigen Typen erfreuen, die dank dem Einfühlungsvermögen des Filmemachers so viel von sich preisgeben. Und wir werden uns an den Menschenfreund hinter dem Werk erinnern, unseren treuen Weggefährten Fritz, der so zurückhaltend und bescheiden war, der gerne und laut lachte und oft mit sich selber haderte und der seinem Gegenüber nie von oben herab, sondern stets mit viel Interesse und Mitgefühl begegnete.

- Christof Stillhard

 

Dieser Text erschien am 11. Oktober 2022 in der Thurgauer Zeitung. Bild: Friedrich Kappeler am 12.12.1987 (© Simone Kappeler)

Premiere

Premiere

Premiere
verbleibend Noch nicht verfügbar Nicht mehr verfügbar

Présente du 12 jan au 14 jan 2020

Live
Veranstaltungen
Die neuen Filme des Tages
Nur noch wenige Stunden verfügbar

Vorfilm

Zusammen mit

Vorfilm

Zusammen mit

Vorfilm