
Wenn Scheidegger in seinem Film die schlanken Giacometti-Figuren wie Spindeln auf einer Töpferscheibe drehen lässt – mit unverändertem Kamera- und Beleuchtungswinkel –, so wird man unangenehm an die rotierenden Reliefweltkugeln im Vorspann von gewissen Wochenschauen erinnert. Ein Betrachter von Plastiken muss selbst um diese herumgehen, sie sich erarbeiten. Ein Kunstwerk, das sich einem wie auf einem Werbeteller präsentiert, vermag niemandem ein echtes Erlebnis aufzudrängen.
Scheideggers Film ist ein perfekter Werbe-Spot. Da Giacometti aber kein «Produkt» ist, hat er ihn, den Film, plus seinen «Maker» erst gar nicht nötig. Giacometti bleibt Giacometti. So oder so! Der Film ist nur soviel wert, wie derjenige, der ihn gemacht hat. Scheidegger will mit seinem Film alles auf einmal, anspruchslose Giacometti-Story, Pariser Café-Milieu, Atelierbesuch, Lebensbiographie, künstlerische Entwicklung, filmisches Festhalten der Entstehung eines Porträtkopfes und nicht zuletzt eine mit Anspruch beladene optische Interpretation von Giacomettis Figuren. – Hätte sie Scheidegger allenfalls auf eine saubere journalistische Arbeit, einen dokumentarischen Atelierbesuch beschränkt, hätte der Filmemacher Scheidegger neben der überragenden künstlerischen und menschlichen Potenz Giacomettis nicht derart auf manchmal fast peinliche Art ins Hintertreffen geraten müssen. Wo aber Giacomettis Gesicht, diese lebendige, menschliche Plastik, ins Bild tritt, da werden wir diesem Film dankbar sein, nicht Scheidegger, sondern Giacometti, dass es ihn gegeben hat und dass er seine Werke gibt.
m. j.